Text der Woche

Binder Susanna: oT

Eine Nacht, in der der Mond, ein Stück ausgeschnittenes Pergament, am Horizont zittert. Dürres Licht hängt zwischen den alten Rosenstrauchästen. Die Hagebutten, erfroren, erinnern sich nicht mehr an ihre Sommerblüte. Der Winter liegt im Frost des aufgeräumten Gartens. Der Kater schleicht über den Holzstoß und schaut durchs Küchenfenster. 

Hubert Hutfles: Autor

Ab heute beschloss er, Bleistift und Papier immer bei sich zu haben. Fein säuberlich steckte er die Utensilien in sein graues Sakko. Alles, was ihm über den Weg lief, schrieb er nieder. Ein Kind, das über die Straße lief, schrieb er nieder. In der großen Stadt oben, wie er immer sagte, dort lief ihm einmal Peter Handke in Gummistiefeln über den Weg. Das schrieb er nieder und fragte ihn, ob er der Handke sei oder nur die Kopie, und schrieb es nieder. Dieser antwortete nicht und ging weiter. Schneider schrie und schrieb es ihm hinterher! Sie sind nicht der Handke!

Hubert Hutfles: Autor

Ab heute beschloss er, Bleistift und Papier immer bei sich zu haben. Fein säuberlich steckte er die Utensilien in sein graues Sakko. Alles, was ihm über den Weg lief, schrieb er nieder. Ein Kind, das über die Straße lief, schrieb er nieder. In der großen Stadt oben, wie er immer sagte, dort lief ihm einmal Peter Handke in Gummistiefeln über den Weg. Das schrieb er nieder und fragte ihn, ob er der Handke sei oder nur die Kopie, und schrieb es nieder. Dieser antwortete nicht und ging weiter. Schneider schrie und schrieb es ihm hinterher! Sie sind nicht der Handke!

Paul Eisenkirchner: Auszug aus dem Buch des Windes I.

Die erste Begegnung auf Bahnsteigen, in Cafés, in Schulen, in Kaufhäusern, in Bussen, in Schwimmbädern, auf Eislaufplätzen, in Parks.

Im Grunde ist jedes Wort der Vergangenheit geschuldet. Wer eine Geschichte ist, hat gelebt.

Die Sammlung eines Lebens. Steine, Versteinerungen, Astfragmente, Wurzeln, Getrocknetes: Blätter, Blüten, Knochen, Zellulose …

Maximilian Huber: Travnicek und das Neue Wiener Neustadt

DER FREUND  Travnicek, was halten Sie von Wiener Neustadt

TRAVNICEK  Da müssen S´mich nachdenken lassen - - Nix.

FREUND  Aber Travnicek, merken Sie nicht den ungeheuren Aufschwung, den die Stadt genommen hat?

TRAVNICEK  Mitnichten. – Wiener Neustadt bleibt Wiener Neustadt.

FREUND  Na also -

TRAVNICEK  Furchtbarer Gedanke ...

FREUND  Die emsige Tätigkeit, die gewaltige Aktivität, die diese Gemeinde auszeichnet -

TRAVNICEK  Gemein bin i no lang net weg´n dera Gemeinde -

Maximilian Huber: Travnicek und das Neue Wiener Neustadt

DER FREUND  Travnicek, was halten Sie von Wiener Neustadt

TRAVNICEK  Da müssen S´mich nachdenken lassen - - Nix.

FREUND  Aber Travnicek, merken Sie nicht den ungeheuren Aufschwung, den die Stadt genommen hat?

TRAVNICEK  Mitnichten. – Wiener Neustadt bleibt Wiener Neustadt.

FREUND  Na also -

TRAVNICEK  Furchtbarer Gedanke ...

FREUND  Die emsige Tätigkeit, die gewaltige Aktivität, die diese Gemeinde auszeichnet -

TRAVNICEK  Gemein bin i no lang net weg´n dera Gemeinde -

Horst Hahn: beats 4

die Grenzen sind dicht

das ist zulässig

echt

leben ist viel

wahr ist viel mehr

und die Wahrheit ist uns zumutbar

sagt die liebe Ingeborg

meistens zieht Baschar al-Assad nackt

vor dem großen Spiegel in der Halle

dem weißen Kaninchen das Fell ab

meistens rasiert sich Asma al-Assad

abends bei Kerzenlicht die Beine

dabei wirft sie Baschar lüstern ein Kusshändchen zu

meistens spielen dann die drei Kinder der Assads

im Keller ein Tischtennis- Ringerl

Günter Schmidhofer: Metamorphosen (Kafka Remixed / Juli 2015)

Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.

 

Was?

Kafka, was soll das?

Wieso ist Samsa ein ungeheures Ungeziefer?

Was für ein Ungeziefer soll das sein, Kafka?

Ich soll warten, dann erklären sie das, na gut, Kafka…ich warte.

 

Horst Hahn: Die Offenbarung auf 36 Seiten Zeitungspapier oder wenn Schauspieler Zeitung für Schauspieler machen

Die Offenbarung auf 36 Seiten Zeitungspapier oder

wenn Schauspieler Zeitung für Schauspieler machen

Auf Seite 1 lenkt ein Schauspieler ein Luftschiff ins faulige Schilf

Auf Seite 2 schlüpft ein Schauspieler unter den Schatten des Schirms

Auf Seite 3 stolpert ein Schauspieler hinter sehnigen Langstreckenläufern her

Auf Seite 4 stehen Schauspieler vor den fleckenlosen Fensterscheiben

Auf Seite 5 bleiben die zarten Nasen der Schauspieler kleben

Horst Freitag: Wohlstandsrausch

Der Schnellzug namens Wohlstandsrausch, der ins Nirgendwo rast erzeugt einen Sog der uns mitreißt, entwurzelt, Teile von uns zurücklässt. Wir sitzen als blinde Passagiere, als Nichts in ihm, sehen kaum mehr aus dem Fenster, hoffen nur im und am Zug zu bleiben nicht herausgeschleudert zu werden. Denn Hinausfallen, nicht mehr dem Zuge der Zeit folgen zu können, bedeutet Versagen. Wir leben in einer Scheinwelt, die uns manipuliert, uns vorgaukelt dass das was wir gerade machen richtig ist und jenes was wir unterlassen nicht zu den essentiellen Dingen in unseren Leben gehört.