Wohlstandsrausch

Der Schnellzug namens Wohlstandsrausch, der ins Nirgendwo rast erzeugt einen Sog der uns mitreißt, entwurzelt, Teile von uns zurücklässt. Wir sitzen als blinde Passagiere, als Nichts in ihm, sehen kaum mehr aus dem Fenster, hoffen nur im und am Zug zu bleiben nicht herausgeschleudert zu werden. Denn Hinausfallen, nicht mehr dem Zuge der Zeit folgen zu können, bedeutet Versagen. Wir leben in einer Scheinwelt, die uns manipuliert, uns vorgaukelt dass das was wir gerade machen richtig ist und jenes was wir unterlassen nicht zu den essentiellen Dingen in unseren Leben gehört. Denn wäre es wichtig, dann täten wir es. Wir blenden aus unseren Leben alles aus, was nicht den „reinen, sauberen“ Vorstellungen entspricht. Krankheit, Arbeitslosigkeit, Armut, sogar der Tod, sind Dinge, die nur anderen passieren. Wir haben jung, schlank, schön und erfolgreich zu sein. Nette kleine Männer heiraten nette kleine Frauen, bauen nette kleine Häuser und machen nette kleine Kinder.

 

Der Tod ist ein unnatürlicher Zustand, die Liebe ein zeitvariables Phänomen, Gefühle dürfen wir nur im Rahmen unseres Einkommens und unserer verfügbaren Zeit investieren, Freundschaften nur der Nützlichkeit wegen pflegen. Gesellschaftliche oder berufliche Verpflichtungen sind wichtiger als ethische Moralvorstellungen.

 

Wir brauchen den Urlaub in der Ferne, weil wir mit der Nähe nicht fertig werden. Wir füllen unser gesamtes Leben mit Abfall,  verlieren Freunde und lassen Beziehungen scheitern. Ähnlich wie Tonnen von Müll ins Meer geschüttet oder vergraben werden stopfen wir unsere Jugend solange mit dem Müll der Erwachsenen zu bis sie angepasst und friedlich Suizid begeht. Suizid durch Alkohol, Drogen, Selbstaufgabe und Sinnentleertheit.

 

Kann Arbeit, Wohlstand und gesichertes Dasein unser alleiniger Lebenssinn sein? Kann ein existentielles Vakuum, eine unglaubliche Gefühlsarmut, die unser Leben bis zum Ende durchzieht unser Ziel sein? Ist es wirklich so, „dass wir immer mehr zum Leben haben aber immer weniger wofür es sich zu leben lohnt. „Haben wir alle die Seuche des 20. Jahrhunderts, das Leiden am sinnlosen Leben?“ (Viktor Frankl)